HMTS Justicia

HMTS Justicia

Auf Kiel gelegt und gebaut als S.S. “Statendam”

Werft: Harland & Wolff, Belfast

Auftraggeber: Holland America Line (Niederlande)

Stapellauf: 09.07.1914 (Kiellegung 1912)

Maße: Länge 225,68 m, Breite 26,31 m, Tiefgang 13,13 m

Antrieb: 12 Kessel, 3 Schiffsschrauben (Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen für 2 äußere Schrauben, Niederdruckturbine für Zentralschraube), Geschwindigkeit 18 Knoten.

Größe: 32.235 BRT

Kapazität: 3.430 Passagiere, (1. Klasse 800, 2. Klasse 600, 3. Klasse 2.030) 600 Mann Besatzung

Geplant war eine luxuriöse Ausstattung mit einer 20 m hohen Halle in der ersten Klasse und einem Palmengarten.

Noch während der Bauphase brach der 1. Weltkrieg aus. Im September 1914 stoppte die Holland-America-Line den Weiterbau. 1915 wurde das Schiff dann durch die britische Admiralität beschlagnahmt und der Umbau zu einem Truppentransporter mit einer Kapazität von 4.000 Mann begann.

Am 07.04.1917 wurde das Schiff dann unter dem Namen “Justicia” als Truppentransporter in Dienst gestellt. Der Dampfer sollte ursprünglich von der Cunard-Line betrieben und nach dem Krieg von ihr als Ersatz für die “Lusitania” übernommen werden. Da die Cunard-Line jedoch keine Mannschaft stellen konnte, wurde die “Justicia” von der White-Star-Line übernommen, die die Besatzung des untergegangenen Hospitalschiffes “Britannic” zur Verfügung stellen konnte.

In den Jahren 1917 und 1918 führte die “Justicia” verschiedene Truppentransporte, zunächst für die britische Admiralität zwischen Großbritannien und Australien / Neuseeland und später für die US-Army auf der Route Liverpool - New York durch. Nach einem erfolglosen U-Boot-Angriff in der Irischen See am 23. Januar 1918 wurde sie mit einem Tarnanstrich versehen.

Das Ende von H.M.T.S. “Justicia”

Am 18.07.1918 legte die “Justicia” unter dem Kommando von Kapitän Hugh F. David nach einer Überholung des Schiffs um 17:15 Uhr in Liverpool ab und begab sich - ohne Truppen an Bord - auf die Rückfahrt nach Amerika. Sie bildete zusammen mit 6 anderen Dampfern den Convoy OLX 39:

                   “Metagama”  “Justicia”   “Lapland”

“Melita”

                    “Teiresias”     “Mentor”    “Nestor” 

Acht Zerstörer sicherten den Zick-Zack-Kurs steuernden Convoy. Bei gutem, klarem Wetter wurde sie von UB 64 am 19. Juli 1918 um 14:30 Uhr (GMT) rund 28 sm südlich von Barra Head Leuchtturm auf der Höhe der Insel Mull angegriffen. Der Torpedo traf die “Justicia” in der Backbordseite auf Höhe des Maschinenraums. Dieser, der Elektromaschinenraum und der Frachtraum Nr. 4 wurden dabei geflutet. Bei diesem Angriff wurden 12 Seeleute getötet, ein 13., der Ingenieur James, starb um 8 Uhr des folgenden Tages im Bordlazarett an seinen schweren Verletzungen. Kapitän David beauftragte sofort den Schiffszimmermann und den Chefingenieur, das Schiff zu kontollieren. Alle anderen Sektionen waren jedoch dicht, ein kleines Leck in einem Tunnel konnte abgedichtet werden. Als Vorsichtsmaßnahme wurden die Rettungsboote mit Lebensmitteln versorgt und an die Reling gefiert. UB 64 unter Oblt. z.S. Otto von Schrader griff dann um 16:30 Uhr ein zweites Mal mit zwei Torpedos an. Von diesen versagte einer, der andere wurde von den Geschützmannschaften noch vor dem Einschlag mit Artillerie zerstört.

Die “Justicia” wurde durch den Schlepper “Sonia” in Schlepp genommen. Gegen 20:00 Uhr griff U 64 dann ein drittes Mal mit einem Torpedo an. Aber auch dieser wurde durch die wachsamen Geschützmannschaften zerstört. Durch die Wasserbomben der Bewacher wurde das U-Boot leicht beschädigt, verlor Öl und musste den Angriff vorerst aufgeben. Es blieb jedoch in der Absicht, am nächsten Morgen möglichst noch einen Angriff durchzuführen, in der Nähe.

Der Großteil der Besatzung der “Justicia” wurde nun evakuiert. Mit der Restmannschaft von 16 Mann wurde das Schiff weiter geschleppt.

 

Justicia - Statendam1917Wikipedia-Artikel (englisch)

1917 - Grau gestrichen als Truppentransporter

justicia_troopshipZum Bericht von M. Pocock  über die Justicia (englisch)

Die “Justicia” zum Zeitpunkt der Verwendung als Truppentransporter, ab 1918 mit “Dazzle Camouflage”

justicia_sinkingZum Bericht von M. Pocock über die Versenkung der "Justicia" englisch)

Die Justicia kurz vor dem Untergang am 20.07.1918 (Aufnahme ca. 12:40 Uhr brit. Zeit)

Oblt. z.S. Otto v. Schrader

Oblt. z.S. Otto von Schrader

U 64

UB 64 am 21. Juli 1918 kurz vor Mittag nach dem Zusammentreffen mit U 54

Um 04:30 Uhr am folgenden Morgen, dem 20. Juli 1918, griff ein zweites U-Boot, UB 124 unter Oblt. z. S. Hans Oscar Wutsdorff, die “Justicia” mit einem Torpedo an. Dieser lief jedoch oberflächlich und langsam und verfehlte sein Ziel. Gegen 06:00 Uhr sicherten dann ein Dutzend Zerstörer und mindestens 14 andere Bewacher das angeschlagene Schiff. UB 124 ließ sich davon nicht abhalten und fuhr um 09:15 Uhr einen zweiten Angriff. Zwei Torpedos trafen das Schiff in Höhe der Frachträume 3 und 5. Es begann danach mit Heck und Backbordseite tiefer zu gehen. Die verbliebenen Crewmitglieder verließen das Schiff, als letzter ging Kapitän David um 10:30 Uhr von Bord. Das Schleppen in Zickzack - Kursen mit ca. 6 sm Geschwindigkeit wurde in der Hoffnung, doch noch einen Hafen zu erreichen oder das Schiff noch in den seichten, sicheren Gewässern in der Bucht von Lough Swilly im Norden Irlands auf Grund setzen zu können, fortgesetzt.

Um 10:40 Uhr traf U 54 auf dem Kampfplatz ein und ging trotz der festgestellten starken Bewachung sofort auf Angriffskurs. Der Kommandant, Oblt. z.S. Hellmuth von Ruckteschell, hielt das Schiff aufgrund seiner Umrisse für den deutschen, zunächst in New York internierten und dann von den USA beschlagnahmten Dampfer “Vaterland”.

Fregattenkapitän Hans Oscar Wutsdorff, ca. 1938

Hans Oscar Wutsdorff

Die Annäherung von U 54 wurde bemerkt und hatte einen Hagel von rd. 60 Wasserbomben zur Folge, der zunächst zum Abdrehen und Tiefergehen zwang. Der Angriff wurde jedoch entgegen einer ersten Überlegung nicht aufgegebenen. Den ersten Torpedo feuerte U 54 um 11:32 Uhr ab. Schon 15 Sekunden später, gleichzeitig mit dem Losmachen des zweiten Torpedos, explodierte der erste. Trotz des wieder starken Wasserbombenhagels konnte der F.T. Gast Haidt die Explosion des anderen nach 122 Sekunden ausmachen.

Die Hoffnung auf Rettung erfüllte sich für den Ozeanriesen jedoch trotz des vergeblichen Angriffs von U 54 nicht. Die “Justicia” versank um 13:35 Uhr (brit. Zeit) in den Fluten.

Am folgenden Tag traf U 54 mit U 64 zusammen. Dessen Mannschaft berichtete darüber, dass sie die “Justicia” um 14:30 Uhr (deutsche Zeit) rd. 4,5 sm vom Angriffspunkt von U 54 entfernt sinken sahen. Man war der Überzeugung, dass der zweite, von U 54 abgeschossene Torpedo zum endgültigen Sinken des Schiffes geführt habe. Die Anwesenheit von UB 124 im Kampfgebiet war nicht bekannt.

Auch die deutsche Flottenleitung ging davon aus, dass die “Justicia” zunächst von UB 64 angeschossen und dann von U 54 versenkt wurde. So veröffentlichte der Admiralstab in den amtlichen Kriegsdepeschen folgende Meldung:

Berlin, 7. August  (Amtlich)
Eines unserer U-Boote, Kommandant Kapitänleutnant v. Schrader, hat an der Nordküste Irlands den stark gesicherten englischen Dampfer "Justicia" von 32120 Brutto-Registertonnen durch mehrere Torpedotreffer so stark beschädigt, daß das Schiff am folgenden Tage durch ein vom Oberleutnant z. S. v. Ruckteschall befehligtes U-Boot trotz Bedeckung durch 18 Zerstörer und 16 Fischdampfer endgültig versenkt werden konnte. Infolge sehr ähnlicher Bauart wurde das Schiff zunächst irrtümlich für den früher deutschen Dampfer "Vaterland" gehalten...

Dem Kommandanten von U 54, Oblt. z.S. v. Ruckteschell, wurde aus Anlass der Versenkung der “Justicia” am 13.08.1918 das Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern verliehen.

v. Ruckteschell
Becher Justicia1
Becher Justicia2

Silberbecher, den die Offiziere von U 54 zur Erinnerung an die Versenkung der “Justicia” anfertigen ließen.

Zunächst gingen alle Beteiligten von diesem Ablauf der Geschehnisse aus. UB 124 wurde nach dem Untergang der “Justicia” von britischen Zerstörern mit Wasserbomben angegriffen, wodurch es später zum Auftauchen gezwungen war und anschließend versenkt wurde. Oblt. z.S. Wutsdorff geriet mit der Besatzung in Kriegsgefangenschaft.

Für den Fall, dass er gefangen genommen würde, hatte er mit seinem Vater eine Verabredung getroffen: Er würde ihm einen Brief schicken mit einer geheimen Nachricht: 1. Zeile = erstes Wort, 2. Zeile = zweites Wort, 3. Zeile = drittes Wort usw.
Er schrieb "Habe Justitia versenkt". Der alte Herr hatte zwar den Code vergessen, fand den Brief aber merkwürdig und übergab ihn der Deutschen Admiralität, die den Schlüssel herausfand.

Erst nachdem die Besatzung von UB 124 aus britischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und britische Quellen ausgewertet wurden, konnte der tatsächliche Ablauf rekonstruiert werden. Heute gilt als sicher, dass die Torpedos von U 54 nicht trafen und der Untergang eine verzögerte Folge der Treffer von UB 124 waren.

Angriff und Untergang von UB 124

(nach dem Bericht der britischen Admiralität von August 1918)

Das Boot war erst auf seiner zweiten Feindfahrt, als es im Nebel vor Skagen ein britisches U-Boot sichtete, wurde aber nicht angegriffen. Am folgenden Tag feuerte jedoch ein anderes feindliches U-Boot einen Torpedo ab, der UB 124 jedoch verfehlte. In den folgenden Tagen konnte es einem Zerstörer und einem Schlachtschiff, die einen Fesselballon mit Aufklärer zogen, ausweichen. Am 17.07. erfolgte nach Funkkontakt ein Zusammentreffen mit U 92, das gerammt worden war und sich beschädigt auf der Heimreise befand.

Die Nordwestküste Irlands erreichte das Boot dann abends am 19.07. 1918. Am folgenden Morgen sichtete man dann in 5 bis 6 sm Entfernung nördlich ein großes Handelsschiff.

Auch der Kommandant von UB 124, Oblt. z.S. Wutsdorff, hielt die “Justicia” nach einem Vergleich mit dem Silhouettenbuch für den Dampfer “Vaterland”, der nun unter amerikanischer Flagge als “Leviathan” eingesetzt wurde. Er ging sofort zum Angriff über und bemerkte beim Näherkommen, dass der Dampfer unter Bewachung von Zerstörern nach Süden geschleppt wurde und nur 3-4 Knoten Geschwindigkeit hatte. Zu dieser Zeit wurden mehrere Explosionen gehört. Da sich in der Nähe kein Fahrzeug befand, nahm man an, ein Wasserflugzeug habe das U-Boot entdeckt und Bomben abgeworfen.

UB 124 näherte sich der Justicia mit einem Kurs von 70°, den es nach einer Änderung des Kurses durch den Dampfer ebenfalls auf 90° änderte. Es gelang dem U-Boot, auf Sehrohrtiefe durch den Gürtel der Bewacher zu kommen und gegen 11:10 Uhr einen Torpedo aus dem linken unteren Rohr abzufeuern. Kurz darauf folgt der zweite Torpedo aus dem rechten unteren Rohr. Es wurde achtern ein Treffer beobachtet.

Der Kommandant versuchte dann sich mit voller Kraft zu entfernen und zu tauchen. Das Boot verlor jedoch durch den Gewichtsverlust nach Abfeuern der Torpedos seine Trimmung und durchbrach wieder mit dem Bug die Oberfläche. Sofort wurden Befehle zum Fluten der Reglertanks erteilt und die Mannschaft nach vorn geschickt. Zu diesem Zeitpunkt waren aber auch die Torpedo-Ausgleichstanks wieder geflutet und das Boot ging unwillkürlich in spitzem Winkel nach unten.

Sie hatte eine Tiefe von 40 m erreicht, als einige Wasserbomben in der Nähe explodierten. In der Aufregung wurde das Abstellen des Flutens der Reglertanks vergessen, so dass das Boot bis auf 86 m auf den Meeresgrund sackte. Die Flutventile der Reglertanks waren bis dahin noch immer geöffnet. Dies geschah 5 bis 6 Minuten nachdem die Torpedos abgefeuert worden waren. 

Zwischen 11:30 und 13:00 Uhr wurden mindestens 50 Wasserbomben in der Nähe des Bootes geworfen. Um 14:00 Uhr explodierten dann 5 Bomben unmittelbar am Schiff. Auch dabei lockerten sich nur die Birnen der elektrischen Beleuchtung, sonst gab es keine sichtbaren Schäden.

Angesichts dieser Angriffe dachte sich der Kommandant, dass es sicherer sei, am Grund zu bleiben. Um 19:00 Uhr gab er Befehl, die Tanks anzublasen um an die Oberfläche zu gelangen. Das Boot verlor aber wieder plötzlich die Trimmung und schoss im Winkel von 50° zur Oberfläche. Säure trat aus den Batterien und Bilgenwasser kam in die Batteriekästen, so dass sich Chlorgas entwickelte. Wahrscheinlich hatten die Reglertanks infolge der Detonationen der Wasserbomben oder aufgrund des Wasserdrucks am Grund ein Leck.

Der Bug durchbrach steil die Oberfläche, aber das Boot fand schnell das Gleichgewicht, startete die unbeschädigten Dieselmotoren und versuchte schnell zu entkommen.

Drei Zerstörer beobachteten dies aus rund 5 sm Entfernung und näherten sich. Nach 10 Minuten eröffneten sie aus ihren Geschützen das Feuer auf UB 124. Es wurde behauptet, das das U-Boot nicht durch das Geschützfeuer getroffen wurde.  Der Kommandant befahl die Mannschaft an Deck und gab dem Leitenden Ingenieur Karl Engstfeld die Instruktion, das Boot zu versenken. Leutnant Paul Seevers und der Ingenieur blieben auf der Brücke, da niemand einen schnellen Untergang erwartete. Der Rest der Mannschaft sprang ins Wasser um sich zu retten. Ein paar Sekunden später explodierten allerdings schon die Sprengladungen und UB 124 versank plötzlich. Die Zerstörer umkreisten die Stelle, entfernten sich aber auf der Suche nach einem gesichteten Periskop. Nach 20 Minuten wurden die Überlebenden dann vom Zerstörer “Marne” an Bord genommen.

Der Kommandant gab bei seiner Vernehmung an, er habe mit dem U-Boot nicht auf der Lauer gelegen, die Begegnung mit der Justicia sei eine Überraschung gewesen. Dennoch hatte die Admiralität den Eindruck, dass in der Gegend bewusst mehrere Boote zusammengezogen worden seien.

Justitia Zeitungsbericht

Britischer Pressebericht über den Untergang der “Justicia”

(“The War Illustrated” vom 10.08.1918)

USS Leviathan (Vaterland)

USS Leviathan - ex “Vaterland”

HMS Pigeon
HMS Milbrook
Times U 124

Festsetzung des üblichen Prisengeldes von 5 Pfund Sterling je Besatzungsmitglied eines versenkten Schiffes für die Versenkung von UB 124.

F.T.-Obergast Georg Haidt schildert den Angriff von U 54 auf die “Justicia”:

 

Frischfröhlich fuhren wir am 20. Juli in den sonnenüberfluteten Morgen hinein. Ein richtiges Kampfwetter! Sollte uns hier im Nordkanal nicht einmal eine richtige, fette Beute zulaufen?

„Rechts voraus eine Rauchwolke!“ meldet der Ausguck plötzlich. „Nein, drei, vier Rauchwolken!“

Wer Gläser hat, bewaffnet seine Augen, und immer breiter wird unser Gesicht.

„Neun – zehn – elf Rauchwolken! In der Mitte des Zuges ein riesiger Dampfer mit drei Masten und zwei Schornsteinen!“ je näher wir an den Gegner herankommen, desto klarer und deutlicher heben sich die Einzelheiten ab. Wie in einem Ameisenhaufen, so wimmelt es vor uns. Annähernd sechzig Bewacher, Zerstörer, U-Bootjäger, Vorpostenboote und ein kleiner Kreuzer sichern den Koloß. Der Kommandant hält diesen wegen seiner Größe und der Ähnlichkeit seines Schattenrisses zunächst für die „Vaterland“, die bei Ausbruch des Krieges in Neuyork lag und in den letzten Wochen wieder in Fahrt gesetzt worden war. In Wirklichkeit war der Dampfer, den der Kommandant sofort anzugreifen beschließt, die ganz neue englische „Justicia“.

„Der Dampfer muß unser werden, koste es, was es wolle!“ Dieser Gedanke beseelte jeden einzelnen unserer Besatzung. Das Wetter ist ungewöhnlich sichtig, und schwere Dünung läuft. Der Kommandant sucht deshalb mit seinem Boote die Sonnenseite auf, um möglichst spät entdeckt zu werden.

Da ändert der Riese plötzlich 20 Grad Kurs, und wir befinden uns nunmehr auf der falschen Angriffseite. Umdrehen und die Spitze der Bewachung unterfahren! Wie wild durchfurchen die feindlichen Bewacher die See. Schon haben sie uns entdeckt, und die rasend gewordene Meute fällt über uns her. Ein Trommelfeuer mit sechzig Wasserbomben zwingt uns auf 50 Meter Tiefe.

Doch der Kommandant lässt sich von seinem Entschluß, unter allen Umständen zum Angriff zu kommen, nicht abbringen. Wir steigen auf Sehrohrtiefe. Zwei Wasserbombenexplosionen unter uns drücken, nein werfen uns mit aller Wucht an die Wasseroberfläche.

Kopf hoch! Augen klar! In haarscharfer Schussrichtung liegt der Riese vor uns, dazwischen jedoch ein großer Zerstörer mit Kurs auf uns. Mit äußerster Kraft jagt dieser auf uns zu und will uns rammen. Doch unser Kommandant ist schneller.

„Rohr eins und zwei los!“

„Schnell tauchen!“

Wir laufen nach vorn; das Boot bäumt sich; um uns her kracht und dröhnt es; wir laufen nicht mehr, nein wir fallen. Gelingt es uns nicht, bald auf die entsprechende Tiefe zu kommen, so sind wir erledigt.

Wir liegen in 59 Meter Tiefe.

Zwei mächtige Detonationen tragen uns die Kunde zu, daß unserer Bronzefische brav und wacker gearbeitet haben.

Ein Zwerg hat einen Riesen bezwungen!

Doch wir haben keine Zeit, uns zu freuen. Das Licht erlischt. „Taschenlampen her! Wo ist die Notbeleuchtung? Ist denn alles verrückt?“ Wie steht denn unser Boot da? Glatt auf dem Bug, fast senkrecht steht es im Wasser. Zurück geht die Kletterei, achterwärts. Nirgends kann man sich halten; immer wieder rutschen wir abwärts; die Finger krallen sich in die Eisenplatten; die Fingernägel brechen. Fast unmöglich scheint es, das Boot wieder auf ebenen Kiel zu bringen.

Doch der Gedanke an die Heimat, die wir wiedersehen wollen, verleiht uns übermenschliche Kraft.

Endlich, endlich! Wir haben es geschafft! Gott sei Dank! Er hat uns geholfen. Die Nerven beruhigen sich. Doch noch ist die Gefahr nicht beseitigt. Die explodierenden Wasserbomben geben Nachricht, daß uns der Gegner noch hart auf den Fersen ist, die Maschinen werden abgestellt und vollkommene Ruhe im Boot befohlen.

Zum Glück treibt ein starker Strom und unser Ölbunker kann nicht zum Verräter werden. Schon wirft der Gegner seine Bomben etwas entfernter.

Infolge des eingedrungenen Wassers wurde die Luft im Boot von Minute zu Minute schlechter. Viermal wollten wir hoch und stets drückten uns die Feinde herunter. Beim vierten Auftauchen schleuderte der innere Luftüberdruck unsern Kommandanten wie einen Spielball aus dem Luk. Fast wäre er über Bord gegangen. Um achtzehn Uhr meldete der leitende Ingenieur, daß wir nur noch einmal tauchen könnten, dann sei der Strom in der elektrischen Batterie zu Ende. Schwer lag die Verantwortung auf dem Kommandanten. Rasch entschloss er sich zum Auftauchen.

Kaum ist der Turm frei, das heißt über Wasser, so springt auch schon das Luk auf, und die Geschützmannschaften eilen an die Geschütze. Im Nu sind beide gefechtsklar. In unmittelbarer Nähe ist kein feindliches Fahrzeug, aber rings um uns lauert ein Schiff neben dem anderen. Da, ist dort an der Südecke nicht eine kleine Lücke? Ja!

„Draufgehalten, beide Maschinen äußerste Kraft. Batterie laden! Boot ventilieren!“

Noch sind wir nicht entdeckt. Fiebernd stehen die Leute an den Geschützen; genügend Munition liegt da, und die Geschütze sind feuerbereit. Etwa 1000 Meter vor der Lücke entdeckt uns der Gegner und – schon blitzt es drüben auf. Wie eine Erlösung wirkt dies auf uns. Jetzt können wir handeln. Feuererlaubnis. Hei, nun beginnt des Lebens Freude wieder! Der nächste Vorpostendampfer bekommt das zu spüren. Unsere Kanoniere leisten Unmenschliches. In wenigen Minuten ist der eine Dampfer erledigt. Er sinkt. Den ihm zu Hilfe eilenden Genossen ereilt dasselbe Schicksal.

Unser Durchbruch ist geglückt! Wir können von neuem tauchen. Kein Feind erblickt uns mehr.

Am nächsten Vormittag trafen wir UB 64. Das Boot kam längsseits, und wir gaben ihm einen Reserve-F.T.-Lautverstärker ab. Mit großer Freude berichtete das UB 64, daß einer unserer Torpedo den Zerstörer, der uns rammen wollte, mitten unter dessen Kesselanlage zur Detonation brachte. Von UB 64 erfuhren wir auch, daß die „Justicia“ – jetzt wußten wir, mit welchem Riesen wir gekämpft hatten – drei Stunden nach dem Angriff gekentert und gesunken sei.

Allerdings hatte UB 64 tags zuvor schon einen Torpedo auf ihn lanziert, der den Riesen zwang, zur Reparatur in die Werft zurückzukehren. Und auf dem Wege dorthin versetzten wir ihm den Todesstoß.

Noch einen weiteren Truppentransportdampfer konnten wir in den nächsten Tagen auf unsere Versenkungsliste setzen. In dem Kampfe mit diesem erlitten wir jedoch auch einen erheblichen Schaden, so daß wir Kurs Heimat nehmen mußten.  (Anmerkung des Autors: Eine weitere Versenkung ist im KTB nicht verzeichnet)

Freudig begrüßten wir die im rötlichen Schein der untergehenden Sonne langsam auftauchende Insel Helgoland.  Heimat!

Bald schleusten wir in Wilhelmshaven unter den Klängen der Kapelle „S.M.S. Hamburg“ ein. Der Kaiser kam an Bord und schüttelte jedem einzelnen der Besatzung die Hand. Aufmerksam gemacht auf die mit Öl beschmutzten Maschinengriffe, sagte er: „ Was für meine Leute recht ist, ist auch für mich recht.“

Wäre nur der Kaiser öfters zu uns gekommen, vieles wäre verhindert worden. Wer von den Leuten in der Heimat verstand uns an der Front? Wenige!