11. Fahrt

16.09. - 15.10.1918, Westausgang Ärmelkanal

U 54 läuft am 15.09.1918 um 17:10 Uhr zur Fernunternehmung über die Ostsee aus und macht um 22:30 Uhr in Brunsbüttel fest. Beim Ablegen von SMS Hessen, wo es längs eines E-Bootes lag, beschädigte es sich an den Tiefenrudern des E-Bootes die Propeller und läuft am gleichen Tag, dem 16.09., nach Wilhelmshaven zum reparieren der Propeller aus. Um 22:30 Uhr wurde in Wilhelmshaven eingedockt. Am folgenden Tag kehrt es nach Helgoland zurück.

18.09.1918

Nach einem Befehl des Flottillenchefs, Kplt. Von Rosenberg-Gruszynski, laufen U 54, U 55 (Oblt. z.S. Hans Friedrich) und U 161 (KL Waldemar von Münch) vormittags von Helgoland über den Auslaufweg West zu einem Einsatz am Westausgang des englischen Kanals aus. Mittags werden sie vom Geleit durch die 7. Geleithalbflottille entlassen. Bei glatter See laufen die Maschinen mit voller Kraft durch die Nordsee. Abends werden holländische Fischereifahrzeuge östlich der Doggerbank bei Mondschein angetroffen.

19.09.1918

Am Nachmittag kommen voraus Rauchwolken in Sicht, auf die getaucht zugefahren wird. Sie stellen sich als kleine geschützte Kreuzer der Typen Centaur und Constance heraus. Mit Nordostkurs werden danach noch Zerstörer und ein Panzerkreuzer des Typs "Tiger" gesichtet. Dieser schoss mit schwerer Artillerie auf ein nicht auszumachendes Ziel. Ein Angriff war nicht möglich. Das Auftauchen wurde zudem von einem spät gesichteten Fesselballon verhindert.

20.09.1918

Oblt. z.S. von Ruckteschell beschließt, die britischen Bewacher bei der Fair - Insel zu passieren, eine Peilung ist bei dem bedeckten Wetter jedoch nicht möglich. Später wird festgestellt, dass das Westende des englischen Sperrgebietes durchlaufen wurde. Vormittags kommt die Fair-Insel steuerbord voraus in Sicht. Nur ein Fischdampfer wird als Bewachungsfahrzeug ausgemacht. Nachmittag werden Rauchwolken und Masten gesichtet. Mehrere kleine Kreuzer der Fox-Glow Klasse, Vierschornsteinzerstörer und Fischdampfer werden gesichtet, die den Eindruck einer sich formierenden Konvoibewachung machen.

21.09.1918

Bei mäßigem Seegang wird vormittags ein aufgetauchtes U-Boot bemerkt, mit dem jedoch keine Erkennungssignale getauscht werden. Nachmittags herrscht Sturm der Stärke 7.

22.09.1918

St. Kilda liegt vormittags querab. Wegen starkem Seegang und Windstärken 7 - 8 kann nur mir einer Maschine halbe Kraft gelaufen werden.

23.09.1918

Nachts muss das Boot bei Windstärke 10 beidrehen. Mittags wird ein größeres Leck im Treibstofftank unter dem Turm bemerkt. Das Vorhaben, durch Nordkanal und Irische See zu laufen, muss aufgegeben werden. Zur Nacht flaut der Wind wieder ab, so dass der Marsch westlich um Irland herum fortgesetzt werden kann.

24.09.1918

Bei hoher Dünung kommt U 54 nur langsam voran. Black Rock und das Leuchtfeuer von Skellig werden gesichtet.

25.09.1918

Es wird Kurs auf Punkt X genommen. Zwischen diesem und der Südwestküste Irlands kommt kein Schiffsverkehr in Sicht. Es werden auch keine Funksprüche eigener U-Boote aufgefangen. Der Kommandant fragt mit F.T. zweimal nach einer neuen Verteilung der Einsatzgebiete, erhält jedoch keine Antwort. Er beschließt, einen Tag am Standort zu warten um mit eventuell einlaufenden Konvois mitfahren zu können.

26.09.1918

Am Vormittag werdenerneut zwei Standortmeldungen abgesetzt, die unbeantwortet bleiben. Danach wird bei stark fallendem Barometer Kurs auf Lizard Head gesetzt.

27.09.1918

Morgens steht U 54 rund 20 sm von der Küste entfernt, als es einen Fesselballon bemerkt, unter dem ein Konvoi vermutet wird. Das Objekt stellt sich jedoch als frei schwebendes Luftschiff heraus, das Küstenpatrouillien fährt. Bei Auftauchversuchen werden immer wieder Bewacher bemerkt, so dass Abgelaufen werden muss. Dabei kommt ein französischer Segler mit Südkurs in Sicht, der angegriffen wird. Um 18 Uhr beginnt U 54 aus 2,5 km Entfernung mit der Beschießung aus beiden Geschützen. Der Segler "En Avant" erwidert das Feuer aus einem 4,7 cm-Geschütz. Er wehrt sich heftig und nebelt sich ein. Erst als der Vormast abgeschossen wird, ergibt er sich. Das Prisenkommando begibt sich auf das Schiff, das gesprengt werden soll. Es hatte 6 Mann Besatzung, 69 BRT und transportierte 129 t Kohle für die Fa. Rothschild von Swansea nach Boulogne. Beim Versuch, die Bordkanone ins Beiboot zu verladen, kentert dies, so dass die Prisenmannschaft zum U-Boot zurückschwimmen muss. Ein Längsseitsgehen hätte das U-Boot bei der Dunkelheit und dem schweren Seegang gefährdet. Über das Schicksal der Besatzung notiert der Kommandant nichts. Bei schlechtem Wetter wird die Bucht von Plymouth angesteuert.

28.09.1918

Lizard wird im Abstand von 3 sm passiert. Die Ölspur ist recht stark. Durch Flieger, U-Bootjäger und Bewacher wird das Boot von 10 Uhr bis 18 Uhr unter Wasser gedrückt. Vier Versuche aufzutauchen müssen aufgegeben werden. Abends ist die See ist ruhig, es herrscht gute Sicht. Bei solchem Flugwetter ist es vollkommen unmöglich, in der Nähe von Land zu arbeiten. Da U 54 dauernd unter Wasser gedrückt wird, geht die Übersicht über den Konvoiverkehr verloren. Der Kommandant beschließt, in der nächsten Nacht bei Lands End oder Lizard dicht unter Land zu arbeiten.

29.09.1918

Nach Mitternacht steht das Boot bei Lands End am Westausgang des Englischen Kanals. Ein Dampfer kommt in Sicht und bietet die erste Angriffsgelegenheit nach elf Tagen. Beim Heranfahren kommt ein Bewacher entgegen und zwingt zu einem frühzeitigen Schuss aus 500 m Entfernung mit einem spitzen 50° Winkel. Der Bugschuss mit einem G 7 Torpedo mit 3 m Tiefeneinstellung ist ein Fehlschuss. Es wird vor dem Bewacher für kurze Zeit abgetaucht. Nach dem Auftauchen kommt ein weiterer Dampfer in Sicht. Trotz nahezu idealer Schussposition wieder ein Fehlschuss mit G 6 AV+ Torpedo. Die Ursache ist unerklärlich, da der Torpedo richtig lief. Nach dem Abdrehen kommt ein dritter Dampfer dem beschossenen entgegen, so dass ein Heckdoppelschuss aus 500 m Entfernung möglich wird. Trotz guter Winkelposition wieder zwei Fehlschüsse. Die Torpedos detonieren nach knapp 2 Minuten entweder auf Grund oder an der Küste. Es kann nicht schnell genug nachgeladen werden und ein U-Bootsjäger zwingt zum Tauchen. Da es schon hell wird, muss sich U 54 von der Küste entfernen um nicht von Flugzeugen den ganzen Tag unter Wasser gehalten zu werden. Vor Mittag fällt das Barometer stark und es setzen starke Regenböen ein. Gegen 11 Uhr kommt ein Konvoi aus 5 kleinen Dampfern in Sicht, geschützt von bewachenden Fischdampfern mit Wasserbombenwerfern. Das Vorsetzen dauert bis 16 Uhr, ehe zum Angriff getaucht wird. Der an der Spitze des Konvois fahrende Dampfer "Libourne"  wird mit einem Heckschuss angegriffen. Der aus einem Winkel von 70 ° abgefeuerte G 6 AV+ Torpedo trifft nach 70 Sekunden. Da das U-Boot noch nicht bemerkt wurde, wird ein neuer Heckschuss auf den zweiten Dampfer angesetzt. Kurz vor dem Schuss macht der Konvoi jedoch einen Schwenk nach rechts, so dass vor dem zweiten Ziel getaucht werden muss. Obwohl anschließend 20 Wasserbomben geworfen werden, läßt der Kommandant auf Sehrohrtiefe auftauchen. Der Bombenwerfer ist nicht auszumachen und die Dampfer sind außer Reichweite gelangt. An der Versenkungsstelle sind noch ein Rettungsboot, ein Fischdampfer und Schlepper sowie ein Bewacher mit Bombenwerfer zu sehen. Bei Dunkelheit wird wieder aufgetaucht. 

30.09.1918

Der Wind hat um 180° gedreht und weht mit Stärke 6. Damit die Mannschaft nachts Ruhe hat, fährt das auf offener See, sichtet aber trotz der verhältnismäßig weiten Entfernung zum Land und dem erheblichen Wind noch Flieger. Der Kommandant richtet es so ein, dass er nachts wieder zwischen Wolfs Rock und Lands End steht. Dort trifft er um 22:35 Uhr auf einen Dampfer, den er aufgrund des merkwürdigen Kurses und der geringen Fahrt für eine U-Boot-Falle hält, aber dennoch angreifen will. Auf 600 m Entfernung kurz vor Mitternacht ein Doppelbugschuss. Wieder beides Fehlschüsse obwohl die Torpedos gut liefen und nach ca. 5 Minuten im richtigen Abstand detonierten. Nach kurzem Alarmtauchen fährt U 54 wieder auf die Küste zu. Rechtzeitig werden 10 flache, sehr schnelle Boote auf Gegenkurs bemerkt und kurz abgetaucht.

01.10.1918

In der Penzance-Bucht bei Lizard Head am Westausgang des Kanals werden dicht unter Land noch einmal 25 dieser merkwürdigen Schiffe angetroffen. In der Bucht liegen viele beleuchtete Schiffe auf Reede. Gegen Morgen wird Südkurs eingeschlagen. Mittags kommt die französische Insel Quessant in Sicht. Vor U-Bootsjägern und Fliegern wird Alarm gegeben und Westkurs gesetzt, von dem gegen Abend zurückgelaufen wird. Mit F.T. Meldung wird der Standort 47°2" N, 2°41" W durchgegeben und in der Nacht wieder nach Penzance gesteuert. Sehr viele Bewacher, anscheinend U-Boot-Jäger und ein Zerstörer lassen nach Ansicht des Kommandanten auf Verkehr schließen. Am Morgen wieder Kurs auf die offene See zu Punkt X.

02.10.1918

Am Morgen wird erneut eine Standortmeldung abgesetzt. UB 91 (KL Wolf-Hans Hertwig) antwortet, ist jedoch nur halb verständlich. Nachmittags wird kehrt gemacht um nach erneuter Standortmeldung abends vor der französischen Küste zu operieren. Trotz sichtigem Wetter kommt während der ganzen Nacht nicht einmal ein Bewacher in Sicht.

03.10.1918

Nach einer F.T.-Meldung des B.d.U. über einen sicheren Geleitzugweg in der Mitte des Kanals wird darauf morgens Kurs genommen. Tatsächlich kommt am Vormittag ein Geleitzug in Sicht, bestehend aus fünf Dampfern, bewacht durch Zerstörer und Motorboote. Wasserbombendetonationen werden gehört. Beim Vorsetzmanöver wurde U 54 jedoch gesichtet und die Dampfer drehten um 90° ab. Statt des fast sicher geglaubten Erfolges muss nun vor den U-Bootsjägern getaucht werden. Insgesamt 30 Wasserbomben, davon zwei sehr heftige Detonationen, werden gezählt. Während der Verfolgung des Konvois, der offenbar die Kanalinseln oder Cherbourg ansteuerte, wurden nochmals 6 Standortmeldungen per Funk abgesetzt. Da keine Aussicht auf Erfolg bestand und ein Zerstörer noch lange das Auftauchen verhinderte, wurde nachts wieder auf gleichem Kurs zurück gefahren. 

04.10.1918

Bei hoher Dünung und schlechter werdendem Wetter nimmt U 54 Kurs auf Lands End und trifft nach Mittag einen Konvoi an, der aber wetterbedingt nicht angegriffen werden kann. Nach längerer Beobachtung kommt der Kommandant zu der Annahme, dass es sich wegen der geringen Geschwindigkeit und in alle Richtungen wechselnden Kursen um eine Geleitzugfalle handelt. In der Nacht kommt der Konvoi dann außer Sicht.

05.10.1918

Noch in der Nacht kommt ein Dampfer in Sicht, der mit Doppelschuß aus dem Heck aus 5-600 m Entfernung angegriffen wird. Beide Torpedos treffen nicht. Einer der Bewacher gibt mit Lichtsignalen Alarm, der von Land beantwortet wird. Kurz darauf zwingt ein Bewacher das U-Boot zum Tauchen, so dass kein weiterer Angriff möglich ist. Mittags läuft das Boot dann wieder auf Land zu, da bei dem schlechten Wetter nicht mit Luftaufklärung gerechnet wird. U 54 erreicht dort einen aus fünf Dampfern bestehenden Konvoi mit hoher Fahrt. Diese stehen in 1.500 m Entfernung - sich gegenseitig überlappend - in günstiger Schussposition. Der Angriff mit den letzten beiden Torpedos als Doppelbugschuss ist jedoch wieder ein Fehlschlag. Da alle Torpedos verschossen sind, wird der Rückmarsch angetreten. 

06.10.1918

Bei Seegang der Stärke 8 versagt nachmittags der Kreiselkompass, daher muss nach Lichtbildkompass gesteuert werden. Es wird abends getaucht, um den Kreiselkompass bei ruhigerer See wieder in Gang zu bringen.

07.10.1918

Der Kreiselkompass ist wieder klar. Am Morgen wird aufgetaucht Westkurs gefahren.

08.10.1918

Nach dem Nachlassen des Seeganges wird wieder der richtige Kurs durch den Atlantik Richtung Norden gesetzt. Bei weiter abnehmendem Seegang wird die Fahrt erhöht.

09.10.1918

Auf Kurs durch den Atlantik

10.10.1918

Auf Höhe von St. Kilda herrscht wieder Windstärke 9 mit sehr hoher Dünung. Wegen überlaufender Wellen muss mittags zeitweise auf Südwestkurs beigedreht werden. Erst am Abend läßt der Sturm nach und es kann wieder auf den alten Kurs gegangen werden.

11.10.1918

Über das weitere Einlaufen verfasst der Kommandant einen Sonderbericht, der nicht im KTB enthalten ist. Gemäß dem Einsatzbefehl sollte U 54 auf dem Rückmarsch über den Skagerrak und Kattegat einlaufen. Dort sollte unter Beachtung der Gefahr durch gegnerische U-Boote Handelskrieg nach Prisenordnung geführt werden.

15.10.1918

Eintreffen in Wilhelmshaven, Neue Werft.

Kriegsverbrechen ?

RuckteschellDie Versenkung der “En Avant” war Gegenstand von Ermittlungen wegen Kriegsverbrechens gegen den Kommandanten, Oberleutnant zur See Hellmuth von Ruckteschell.

Während eines Werftaufenthalts in den Niederlanden sagte der frühere Decksmeister von U 54, Otto Wiedemann, der nach dem Krieg für eine polnische Reederei als Matrose fuhr, am 26. Mai 1921 gegenüber britischen Offizieren aus. Er gab an, dass sich die 6 Personen der französischen Besatzung der “En Avant” hinter dem Kommandoturm versammelt hatten, als er vom Kommandanten gefragt wurde, ob er die Luke des U-Bootes schließen würde. Da er wußte, dass dies nur erfolgte, wenn ein Tauchgang beabsichtigt war, habe er sich geweigert. Von Ruckteschell soll daraufhin seine Pistole gezogen und ihn unter Deck befohlen haben, wonach er dann selbst einstieg und die Luke schloss. Er habe dann das Tauchen befohlen, wodurch der Tod der französischen Besatzung verursacht worden sei. Eine halbe Stunde später habe es von ihnen nach dem Auftauchen keine Lebenszeichen mehr gegeben.

Es spricht vieles dafür, dass von Ruckteschell hier tatsächlich - und möglicherweise auch im Falle der Versenkung der “Princess Dagmar” - Kriegsverbrechen begangen hat. Offenbar wurde die Besatzung der “En Avant” mit den Schiffspapieren im Beiboot zu U 54 beordert. Das Prisenkommando von U 54 ruderte darauf zu dem Segler zurück und versuchte die Bordkanone vor der Sprengung des Schiffs zu bergen. Das das Beiboot bei diesem Versuch unterging und die Mannschaft der kleinen “En Avant” somit weder über ein Rettungsboot verfügte, noch trotz räumlicher Möglichkeit an Bord genommen wurde, ist die Schilderung des Decksmeisters glaubhaft.

Daneben sind auch der Vermerk von Otto Knüppel auf einer Fotografie und die Tatsache, dass sich von Ruckteschell wohl aus Furcht vor Verfolgung nach Schweden absetzte, Indizien für eine Schuld des Kommandanten.